Vente: 600 / Evening Sale 05 décembre 2025 à Munich button next Lot 125001236

 

125001236
Hermann Max Pechstein
Weib mit Inder auf Teppich / Früchte II (Rückseite), 1910.
Oil on canvas
Estimation: € 2,000,000 / $ 2,340,000
Les informations sur la commission d´achat, les taxes et le droit de suite sont disponibles quatre semaines avant la vente.
Weib mit Inder auf Teppich / Früchte II (Rückseite). 1910.
Öl auf Leinwand, beidseitig bemalt.
Das Stillleben "Früchte II" rechts unten monogrammiert (ligiert) und datiert. 71,5 x 82,5 cm (28,1 x 32,4 in).
Im Werkverzeichnis von Aya Soika sind die beiden Gemälde der heutigen Vorder- und Rückseite betitelt als "Inder und Frauenakt" (1910/54) und "Früchte" (1910/3) und unter einer eigenen Werkverzeichnisnummer registriert.
Pechstein hat das Früchtestillleben 1910 aufgrund von Materialknappheit auf der Leinwandrückseite von "Weib mit Inder auf Teppich" ausgeführt. Soika verweist darauf, dass das Stillleben wohl unter dem unmittelbaren Eindruck der Cézanne-Ausstellung in der Galerie Paul Cassirer, Berlin 1909, entstanden sein dürfte, die Pechstein gemeinsam mit Kirchner und Schmidt-Rottluff besucht hat. Die vom Künstler nach Vollendung des Stilllebens über die Darstellung von "Weib mit Inder auf Teppich" angebrachte Bezeichnung "M.Pechstein / Berlin-Wilmersdorf / Durlacherstr. 14 / Früchte / 500 [Mark]" wurde 1989 im Zuge einer Ausstellung fotografisch dokumentiert und entfernt.
Pechstein hat seine Leinwände in dieser Zeit, wie u. a. auch Ernst Ludwig Kirchner, teils zweiseitig bemalt. Was damals den Gründen von Materialknappheit und finanzieller Not geschuldet war, gilt heute bei Museen und Sammlern als spannende Besonderheit.
Wie auch die beiden Gemälde "Der Große Inder" (1910, St. Louis Art Museum, Soika 1910/52) und "Inder und Weib" (1910, St. Louis Art Museum, Soika 1910/53) aus dem früheren Besitz des wichtigen amerikanischen Moderne-Sammlers Morton D. May, Saint Louis, wird auch das vorliegende Gemälde "Weib mit Inder auf Teppich" zu Beginn des Jahres 1910 in Pechsteins Berliner Atelier in der Durlacherstraße 1 entstanden sein. Das indische Modell, über das nichts weiter bekannt ist, hat Pechstein noch auf einem weiteren, heute verschollenen Gemälde festgehalten ("Inder, Hockend", verschollen, Soika 1910/55).
Für den liegenden Akt des vorliegenden Gemäldes, "Weib mit Inder auf Teppich", saß Pechstein Charlotte Kaprolat Modell. Pechstein hat "Lotte", sein wichtigstes Modell mit den sinnlichen Lippen und exotisch anmutenden Gesichtszügen, Anfang 1909 kennengelernt und kurz nach Lottes 18. Geburtstag im März 1911 geheiratet.
Das ebenfalls 1910 nach Lottes Modell entstandene und heute verschollene Aktgemälde "Weib" (1910, Soika 1910/56) hat Pechstein im "Brücke"-Raum der legendären ersten Ausstellung der Neuen Secession im Berliner Kunstsalon Maximilian Macht im Jahr 1910 präsentiert, wo es aufgrund der Motivik und der neuen, expressionistischen Malweise einen öffentlichen Skandal auslöste. [JS].
• Doppelseitig spektakulär: Aktbildnis und Fruchtstillleben aus Pechsteins bester "Brücke"-Zeit.

PROVENIENZ: Privatsammlung Bayern (wohl 1920er Jahre -1986).
Privatsammlung Süddeutschland (seit 1986-2011).
Privatsammlung Europa (2011 vom Vorgenannten erworben).

AUSSTELLUNG: Max Pechstein. Sonderausstellung der Galerie Ernst Arnold, Nov./Dez. 1919, wohl Nr. 8, (dort unter dem Titel "Äpfel und Spiegel", o. Abb.).
August-Ausstellung der Expressionisten, Gesellschaft für bildende Künste, Amsterdam, Städtisches Ausstellungsgebäude, Scheveningen, August 1920, wohl Nr. 31 (dort unter dem Titel "Tisch am Spiegel, 1910", o. Abb.).
Max Pechstein. Eine Ausstellung des Kreises Unna, Schloss Cappenberg 1989, Verzeichnis der ausgestellten Werke S. 191 (m. Farbabb. beider Gemälde S. 53 und 69).
Figures du moderne. L’Expressionisme en Allemagne 1905-1914, Dresden, Munich, Berlin, Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris, 18.11.1992-14.3.1993, Kat.-Nr. 100 (m. Farbabb. S. 134 von "Weib mit Inder auf Teppich").
Max Pechstein. Sein malerisches Werk, Brücke-Museum Berlin, 22.9.1996-1.1.1997; Kunsthalle Tübingen, 11.1.-6.4.1997; Kunsthalle zu Kiel, 20.4.-15.6.1997, Kat.-Nr. 47 (m. Farbabb. von "Weib mit Inder auf Teppich").
Brücke. Die Geburt des deutschen Expressionismus, Museo Thyssen-Bornemisza, Fundación Caja Madrid, 1.2.-15.5.2005, Kat.-Nr. 125 (m. Farbabb. S. 223 von "Weib mit Inder auf Teppich"), und Brücke-Museum, Berlin, 1.10.-15.1.2006, Kat.-Nr. 134 (m. Farbabb. S. 259 von "Weib mit Inder auf Teppich").

LITERATUR: Aya Soika, Max Pechstein. Das Werkverzeichnis der Ölgemälde, Bd. 1: 1905-1918, München 2011, WVZ-Nr. 1910/54 und WVZ-Nr. 1910/3 (m. Farbabb. beider Gemälde).
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Expressionnisme Allemand, Musées Beaux-Arts, Paris hors serie, 1993, Abb. S. 6.
Barbara Lülf, Die Suche nach dem Ursprünglichen, Max Pechstein und Palau, in: Magdalena M. Moeller (Hrsg), Max Pechstein. Sein malerisches Werk, Ausst.-Kat. München 1996, S. 83.
Janina Dahlmanns, Primitivismus, in: Magdalena M. Moeller und Javier Arnaldo (Hrsg.), Brücke. Die Geburt des deutschen Expressionismus, Ausst.-Kat. Brücke-Museum Berlin, München 2005, S. 253.

Die Künstler der "Brücke" sehen in der Kunst der „Primitiven“ - der Begriff steht hier für eine Kunst der Naturvölker außerhalb des westeuropäischen Kulturkreises - eine reine und von einer "Hochkultur" unbeeinflusste Kunstäußerung. Sie empfinden das Fremde, das durch die zunehmende Kolonialisierung näher gerückt ist, als Befreiung von den Zwängen einer tradierten Kultur. Die unverkrampfte Sicht der Dinge, die den „Brücke“-Künstlern zu eigen ist, ist ein heilsamer Schock, der die Kunst am Beginn der Moderne beflügeln wird. Der nackte Körper, bis dahin immer in eine erzählende Umgebung eingebettet, wird nun in einer Direktheit geschildert, die das Unharmonische mit einschließt. Dem kraftvoll selbstbewussten Inder in unserer Darstellung wird ein weich gelagerter weiblicher Akt zugesellt, dessen gelb-grünliches Inkarnat einen bewussten Gegensatz zu der rotbraunen Haut des sitzenden Mannes bildet. Eine ursinnliche Erotik bestimmt die an sich zwanglose Gestaltung des Zueinanders. Die Gestalt des Inders ist in einer Tuschpinselzeichung aus dem Jahre 1910 skizziert (heute Nationalgalerie, Berlin), deren zeitliche Einordnung wohl anhand des Gemäldes erfolgte. Hier erfasst Pechstein in kraftvoller Linearität bereits das Wesentliche der Gestalt: Ein markanter Kopf in selbstbewusster Haltung zeugt von einer gewandelten Einstellung gegenüber dem Fremdländischen, das sich in unserer Komposition als das signalgebend entscheidende Element erweist. Das Gemälde entsteht in einer Zeit elementarer Schaffenskraft, die als die beste im Gesamtschaffen des Künstlers angesehen wird. Selbst der dem Werk von Max Pechstein kritisch gegenüberstehende Lothar-Günther Buchheim schreibt über das Jahr, in dem "Weib mit Inder auf Teppich" entstanden ist: "Das Jahr 1910 bildet einen Höhepunkt in Pechsteins Schaffen. Es entstehen Bilder, die deshalb vollkommen wirken, weil Absicht, Temperament und aufgewendete Mittel in rechtem Verhältnis zueinander stehen. Sinnlichkeit und ein überschäumendes Lebensgefühl drücken sich in ihnen auf verständliche Weise aus. [...]" (Lothar-Günther Buchheim, Die Künstlergemeinschaft Brücke, Feldafing 1956, S. 296). Auch unser Stillleben zeigt die bahnbrechende Entwicklung zur Straffung der Komposition und einer stringenten Farbaussage, die Pechstein gerade im Jahr der Entstehung unseres Bildes durchlebt. Max Pechstein zeigt 1909 auf der Frühlingsausstellung der Berliner Sezession drei Gemälde, von denen zwei verkauft werden: ein Stillleben und eine Landschaft. Wohl aus diesem Grund wendet er sich weiterhin diesen Sujets zu. Dies erklärt wohl auch, warum in unserer beidseitig bemalten Leinwand Pechstein dem Stillleben den Vorzug gibt, indem er es signiert und datiert. [KD].



125001236
Hermann Max Pechstein
Weib mit Inder auf Teppich / Früchte II (Rückseite), 1910.
Oil on canvas
Estimation: € 2,000,000 / $ 2,340,000
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